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Öffnet den Karlsplatz!
Für einen Platz der Offenen
Kulturen |
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P R E S S E S P I E G E L
DER STANDARD - 10.2. 2003
Unendliche Tiefen
Am Wiener Karlsplatz k�nnte die Zukunft der Stadt ausgehoben werden - Ein Kommentar der anderen
Unl�ngst war in dieser Zeitung �ber eine B�rgerinitiative zu lesen, deren VertreterInnen eine kulturelle Erneuerung des Wiener Karlsplatzes fordern. Sie betreten damit, wie Thomas Rottenberg richtig bemerkte, eine seit zehn Jahren bestehende Endlosschleife.
Erstaunlich allerdings, dass der B�rgerinitiative mit ihren verschwommenen Forderungen eine �ffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird, die sich deutlich sachkundigere Wortmeldungen nur w�nschen k�nnen. Gefordert wird hier etwa ein "Signal f�r k�nstlerische Gestaltungsformen des 21. Jahrhunderts" oder ein "Platz f�r Offene Kulturen als demokratische Wegbereiter".
Diese Worth�lsen warten nur darauf, von verschiedenen Seiten politisch vereinnahmt zu werden. Das Museumsquartier ist ein eindrucksvolles Beispiel. So unbeholfen die b�rgeraktivistische Rhetorik aber auch sein mag - sie bem�ht sich um kulturpolitische Perspektiven, die etwa bei der Sozialdemokratie meist schon im Ansatz scheitern. Auch die Gr�nen verwenden ihre wenigen Ressourcen vermehrt darauf, sich um neoliberale Konzepte wie die Creative Industries zu k�mmern. Die wenigen Initiativen, die sich dem �konomistischen Kulturverst�ndnis widersetzen, werden sukzessive ausgehungert. J�ngstes Beispiel: Das Depot, renommierte Wiener Institution f�r Kunst und Theorie, steht vor dem endg�ltigen Aus.
Top-down-L�sung
Der Karlsplatz bietet beste Voraussetzungen f�r einen Kulturstandort, dessen Zweck nicht die Erhaltung des kulturellen Erbes oder die Stimulierung kultureller Konsumwut ist, sondern eine exemplarische Realisierung von �ffentlichkeit. Weder von Kulturkl�ngeln noch vom Denkmalschutz eingeschr�nkt, fasziniert seine urbane Lage wie seine Disparatheit. Jenseits von Slogans wie "Unort" und "Verkehrsh�lle" hat er das Potenzial zu einem produktiven urbanen Dschungel. Und an konkreten Initiativen, die in der Anfangsphase einen solchen Platz pr�gen k�nnten, besteht kein Mangel.
Will man der Obsession vergangener B�rgerinitiativen gegen Leset�rme folgen, kann man den Aktivisten f�r den Karlsplatz nur nahe legen, mit der gleichen Logik einen spiegelbildlich in die Tiefe gegrabenen Turm einzufordern. Ein solches Bild ist seit den Aushubarbeiten an diesem U-Bahn-Knotenpunkt auch keineswegs verwegen, noch bleibt es rein metaphorisch. Und ein Karlsplatz, der den Blick nach vorne nicht scheut, k�nnte den Motor der ins Stocken geratenen Pl�ne f�r ein "ArtScience Center Vienna" obendrein wieder zum Laufen bringen.
Radikal-diskursive Kulturinitiativen, Netzkultur, Medienkunst, Kunsttheorie und experimentelle �berlagerungen von Kunst, Politik und Theorie k�nnten hier ohne Platzhirschen und Hausmeister einen Ort erneuern, ohne dabei zur Vertreibung der marginalen Gruppen beizutragen, die den Karlsplatz derzeit am st�rksten pr�gen. Eine gemeinsame Ressourcennutzung w�rde gerade so wenig Koordination wie n�tig implizieren, der Top-down-L�sung des Museumsquartiers w�re exemplarisch ein aktivistisches Gegenmodell beigesellt.
Der ganz ohne Kuratel und F�hrung von Kuratoren belebte, inverse Turm w�re also weniger ein Ort der Kontemplation wie der alte Leseturm noch ein Ort des Spektakels, sondern ein Turm, der sich in die Welt hineinbohrt.
Die Wiener Stadtregierung ist - wieder einmal - aufgerufen, ein sichtbares Zeichen f�r eine Kulturpolitik zu setzen, die diesen Namen verdient. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2003)
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